Leben ist Veränderung und Resilienz gibt Kraft dafür
Verlierst du in kritischen Situationen leicht die Nerven? Fühlst du dich bei Konflikten total überfordert? Bist du schnell gereizt, wenn nicht alles glatt läuft? Unvorhergesehene Dinge versetzen dich sofort in starken Stress? Dann solltest du versuchen, deine seelische Widerstandsfähigkeit ausbauen. Resilienz kann dir dabei helfen. Was bedeutet Resilienz?
Resilienz ist ein Prozess, der dir helfen kann, dich selbst bewusster wahrzunehmen, deine Bedürfnisse zu erkennen und dein Leben mit all seinen Höhen und Tiefen aktiv zu steuern. Wie das funktionieren kann, erklärt Simone Neumann. Sie ist Inhaberin der Praxis für Coaching und Betriebliche Gesundheitsförderung im niedersächsischen Rehburg-Loccum.
Frau Neumann, ist Resilienz das Rezept zum Glücklichsein?
Resilienz allein ist sicher nicht der Schlüssel zum Glück. Resilienz kann aber dazu beitragen, das Leben stressfreier und damit schöner zu gestalten. Und wenn jemand stressresistenter ist, geht er glücklicher durchs Leben.
Ich habe während meiner Arbeit viele Menschen kennen gelernt, denen die Resilienz ganz neue Wege eröffnet hat. Weil sie ihr Leben in die Hand genommen haben, weil sie ihre Haltungen und Rollen im Leben reflektiert haben, weil sie eingefahrene Verhaltensmuster erkannt und verändert haben. Weil sie ihre Einstellung zu bestimmten belastenden Situation oder Menschen geändert haben oder weil sie den Mut fanden, beruflich und privat neue Wege zu gehen.
Welche Persönlichkeitsmerkmale helfen dabei resilienter zu werden?
Resilienz lässt sich lernen, und zwar von jedem Menschen, egal mit welchen Charakterzügen. Resilienz erfordert allerdings den Willen, an sich zu arbeiten. Dabei helfen kann ein positives Wesen, Lösungsorientierung, Analysefähigkeit, Selbstbewusstsein und die Fähigkeit, eigene Bedürfnisse zu erkennen. Resilienz ist ein Prozess, bei dem wir uns immer wieder situationsbedingt neu ausrichten.
Welche Motivationstipps zum Durchhalten können Sie geben?
Viele Menschen haben Angst vor neuen Herausforderungen und vor neuen Situationen. Sie bleiben lieber beim Gewohnten, weil ihnen das Sicherheit vermittelt. Hier hilft es, in kleinen Schritten auf die neue Situation zuzugehen und der Vergangenheit nicht hinterher zu trauern. Hilfe von anderen Menschen anzunehmen ist in diesem Zusammenhang auch ganz wichtig. Geduld mit sich selbst zu haben ist unerlässlich.
Von heute auf morgen, von jetzt auf gleich eine Lösung für alle belastenden Situationen parat zu heben, ist sehr viel von sich selbst verlangt. Aber mit dem Willen zur Veränderung sowie der Akzeptanz, dass auch mal kleine Rückschläge dazu gehören und natürlich dem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, kann es von Tag zu Tag besser werden. Es ist wichtig, sich ein Ziel zu setzen und sich zu fragen: „Warum mache ich das, wo möchte ich hin, wie sieht das konkrete Ziel aus?“ Ich rate dazu, das Ziel mit all den geplanten Schritten dorthin zu verschriftlichen und den Zettel dann in Sichtweite zu platzieren. Ein Blick drauf bringt es einem wieder vor Augen. Auch wenn man sich die Erfolge seiner Teilschritte bewusst macht, motiviert das zum Weitermachen.
Leben ist Veränderung, auch Krisen und Unsicherheiten gehören dazu. Doch sie bleiben nicht für immer, wenn man ihnen nicht den Raum dafür gibt.
Was ist mit der Resilienz gegenüber Dingen, die wir nicht ändern können?
Wir können viele Dinge nicht ändern, aber wir können unsere Einstellung ändern. Wenn uns jemand ärgert, der nun einmal so ist, wie er ist, dann können wir ihm aus dem Weg gehen. Wir können um ein klärendes Gespräch bitten und wir können uns fragen, was die Gründe dafür sind, dass uns der andere ärgert. Liegt es vielleicht an unseren Inneren Antreibern, die uns daran hindern, mit der Situation klar zu kommen? Welche Inneren Antreiber gibt es?
Was raten Sie denjenigen, die ständig in die gleichen belastenden Situationen hineinrutschen?
Hierbei ist die Fähigkeit zur Selbstreflexion sehr hilfreich. Ich frage diese Menschen, ob sie schon einmal versucht haben, sich aus ihrer „Warum immer ich?“-Frage oder der „Warum passiert sowas immer mir?“-Haltung zu lösen und etwas an der belastenden Situation zu ändern. Dann sagen sie natürlich: „Na klar habe ich das schon oft versucht, aber nichts hat geholfen“. Ich frage sie, wie oft sie es denn versucht haben und sie sagen: „ein- bis zweimal“. Ich frage sie, auf welche Weise sie es versucht haben. Dabei merken die meisten, dass sie nur halbherzig bei der Sache waren. Dass sie auf eingefahrene Verhaltensmuster zurückgegriffen haben, ohne diese einmal zu hinterfragen.
Genau das ist aber die Herausforderung der Resilienz: eigene Handlungen, Verhaltensweisen und sogar Lebensentwürfe zu hinterfragen. Statt anderen die Schuld am eigenen Unglück zu geben, geht es darum, das eigene Leben aktiv in die Hand zu nehmen und ganz bewusst zu steuern. Gerät jemand immer wieder in dieselben Situationen, die ihn belasten, dann sollte er die „Warum ich?“-Gedanken für einen kurzen Moment akzeptieren, dann aber umlenken. Aus „ich kann ja doch nichts machen“ könnte dann ein „ich versuche es“ werden.
Viele Menschen beschäftigen sich auch zu viel mit der Vergangenheit. Was zurück liegt und immer wieder hervorgeholt wird, kann uns blockieren. Wir verlieren den Blick nach vorne. Doch wir leben im Hier und Jetzt. Die Resilienz kann uns dabei helfen, unsere gegenwärtige Situation zu akzeptieren und oft auch mit und durch neue Erfahrungen zu wachsen. Resilienz kann dabei helfen, unser Potenzial und neue Möglichkeiten zu erkennen.
Hilft ein Ausstieg aus der gewohnten Umgebung, um die eigenen Ressourcen zu stärken?
Das kann sogar sehr hilfreich sein. Für viele Menschen ist es in der heutigen, schnelllebigen Zeit die größte Herausforderung, sich auch einmal Zeit für sich selbst zu nehmen. Die geforderte Flexibilität am Arbeitsplatz bedeutet oft, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen und Stress und Erschöpfung zunehmen. Immer mehr Menschen leiden unter einem Burnout-Syndrom. In meinen fünftägigen Burnout-Präventionsseminaren auf Sizilien, die übrigens als Bildungsurlaub in Niedersachsen, Berlin, Schleswig-Holstein, Saarland und Rheinland-Pfalz anerkannt sind, habe ich mit genau solchen Menschen zu tun.
In einer entspannten Umgebung, fern vom beruflichen und privaten Alltag, fällt es ihnen leichter, sich mit ihren persönlichen Stressthemen und Verhaltensmustern auseinanderzusetzen. Sie lernen Kommunikations- und Achtsamkeitstechniken, Entspannungstechniken, Konfliktmanagement, Abgrenzungsmöglichkeiten inmitten einer wunderbar lockeren südländischen Mentalität, umgeben von Sonne und Meer.
Was tut Resilienz für unsere Gesundheit?
Resilienz hilft, sich gegen typische psychosomatische Erkrankungen zu wappnen. Rücken- und Nackenschmerzen, Bluthochdruck, Infektanfälligkeit, Kopfschmerzen und Migräne, Burnout, Magen-Darm-Erkrankungen und psychische Erkrankungen sind häufig die Antworten unseres Körpers auf seelische Belastungen. Mithilfe der eigenen Resilienz und den 7 Säulen psychischer Stärke kann jeder seine seelische Widerstandskraft unterstützen und ausbauen. Auch ein spezialisierter Coach oder Therapeut kann dabei unterstützen und helfen.
Was waren Ihre beeindruckensten Resilienz-Erlebnisse?
Da gab es einige, aber dieses hier ist mir besonders im Gedächtnis geblieben: Ich habe eine junge Frau kennengelernt, die nach einem Autounfall mit ihren Freunden als einzige überlebt hat. Sie lag im Koma und war nach dem Aufwachen geh- und sprachbehindert. Doch sie hat nie aufgegeben. Sie hat ihre Situation angenommen und sich ins Leben zurückgeholt. Als in irgendeinem Zusammenhang der Satz fiel, dass viele Menschen zum Lachen in den Keller gingen, da sagte sie: „das Problem habe ich nicht, da komme ich mit meiner Gehbehinderung nur schwer hin.“ Diese junge Frau beeindruckte alle mit ihrem Selbstverständnis, ihrer Lockerheit, ihrem Humor und ihrer Stärke. Das hat mich sehr berührt.